1990 - Renitenztheater Stuttgart
<Theater Intim> von Helmut Lorin
Uraufführung
Koproduktion: Klara Höfels / Renitenz Theater Stuttgart
Autor: Helmut Lorin; Regie: C. A. Gad Elkarim; Schauspielerin: Klara Höfels;
Schauspieler: Helmut Lorin, Bühne/Kostüm: C. A. Gad Elkarim
Klavier: Angelika Götz
Uraufführung am 5. November 1990 im Renitenz Theater Stuttgart

Stuttgarter Zeitung Podium vom 5.11.1990
Eine dramatische Nabelschau
Helmut Lorin zeigt heute sein Theater Intim im Renitenz-Theater
Im Theater ist es wie im richtigen Leben: die wahren Dramen spielen sich hinter den Kulissen ab. Da wird koaliert und intrigiert, gefeuert und geflirtet. Unter dem Vorwand, dass hier Kunst entsteht, inszenieren die Schauspieler ihr Leben. Einen „Blick unter die Bettdecke des Theater“ wagt nun Helmut Lorin mit seinem neuen Stück „Theater Intim-Schauspiel Report Teil 1, dass heute um 20:30 Uhr im Renitenz-Theater in der Königstraße Premiere hat. Er weiß, wovon er spricht: schließlich ist Lorin bereits in der elften Spielzeit selber Schauspieler am Staatstheater. Zusammen mit der Ex-Staatsschauspielerin Klara Höfels und dem jungen Regisseur Christian Achmed Gad Elkarim beleuchtet er hier ein Stück Bühne bissig-ironisch von innen. Wir meinen uns mit diesem Stück auch selber, sagt Elkarim, und Klara Höfels fügt hinzu: „wir wollen die Leute durch das Lachen zum Nachdenken bringen.
Gleichzeitig arbeiten die drei Künstler, die sich am Stuttgarter Staatstheater kennen gelernt haben, auch am Aufbau eines eigenen Autorentheaters. Zu zahlreichen Bühnenautoren haben Sie deshalb bereits Kontakt aufgenommen, als Spielort träumen Sie von Kammertheater. Es klingt verlockend, zumal eine Bühne, an der die Autoren bei den Inszenierungen gleichberechtigt mitwirken, vollkommen fehlt. Und das Kammertheater böte, da ist sich das Trio einig, ein ideales Ambiente dafür. Ob sich die Verantwortlichen für diese Idee erwärmen, das bleibt abzuwarten. Wenn nicht, ist Klara Höfels entschlossen, ihr Projekt in einer anderen Stadt zu starten. hei
Stuttgarter Nachrichten
Die leise Wut der Wissenden
Das Theater, wir haben es geahnt, ist das letzte Toll-Haus in unserer so überaus normalen Zeit, ein bizarres Refugium für Autokraten und Hierarchen, für Schleimer und Intriganten, Chauvinisten und Macho-Ferkel. Wer nun aber glaubt, die herrlichen Kämpfe und Krämpfe dieser barocken Mischpoche auf der Bühne bewundern zu können, der wird regelmäßig enttäuscht. Denn entweder sind sämtliche Vorhänge zu- wie am vergangenen Montag in Stuttgart (Großes Haus geschlossen, Kleines Haus geschlossen, Kammertheater geschlossen, Theaterdepot geschlossen) - oder aber die wirklich guten Geschichten kommen nie auf den Spielplan, weil sie hinter den Kulissen stattfinden.
Wie es zugeht in den Büros hysterischer Intendanten, arroganter Regisseure und scharfer Vorzimmerdamen, zeigt der Stuttgarter Schauspieler Helmut Lorin in seinen Bühnenreport „Theater Intim“, den er zusammen mit seinen Kollegen Klara Höfels und Martin Schurr jeden Montag im Renitenz-Theater vorführt - ein kabarettistisches Panoptikum aus dem Innenleben des Theaters, alle Tätlichkeiten und Dämlichkeiten aus Probebetrieb, Vorsprechen, Vertragsgespräch und Kantinengeschwätz spitzt illustrierend. Theater über das Theater im Theater.
Wenn denn nicht eine, von den Künstlern selbst erfahrene, schauerliche Bühnenrealität durch diese zynischen Szenen schimmern würde, mancher Sketch könnte als pures Klischee empfunden werden. Aber so ist die Wirklichkeit - sie liefert die besten Abziehbilder. Und irgendwie kommen Sie uns bekannt vor: der omnipotente Generalintendant, der sein eigener Gutachter ist; Der Regisseur „Heymann Zappeldick“, der seinen „Lear“ vorbereitet, keine Zeit für seine Schauspieler hat, aber endlich ein Buch über seine „Ensemblepflege“ schreiben will. Da ist der unterbeschäftigte Mime mit fünf Sätzen pro Spielzeit, der säuft, um den Ansprüchen des Regisseurs gerecht zu werden.
Höfels und Lorin, die mit dieser Ironie-Show für ein eigenes Autorentheater werben wollen, persiflieren die anachronistischen und absolutistischen Verhältnisse am Theater mit Lust an kritischer Satire, aber auch mit der leisen Wut der Wissenden - schließlich kennen Sie Himmel und Hölle des Bühnenlebens aus dem Stuttgarter Staatstheater aus eigener, leidvoller Erfahrung: Unerträglich eingebildete „Star“ Regisseure, deren bevorzugtes Inszenierungsterrain die Täschelzonen weiblicher Hintern sind; um Rollen bettelnde, schleimende Darsteller, die sich durch Sekretärinnen Betten hochspielen, fiese Intendanten erst zum Teufel wünschen und Ihnen ein Hosianna singen, wenn sie eine Rolle bekommen. Und natürlich kriegt auch die geschwätzige, nazistische Kritik ihr Fett ab, ebenso wie ein eitles, monströses Regie-Theater.
Zugegeben: es ist vieles ein bisschen dick aufgetragen, was dieser Intim-Report über die „Minimettis“ und „Quadratfliegs“ bietet, unterhaltsam ist er allemal, und Anlass zum Nachdenken über den Koloss Staats- und Stadttheater mit seinem steinzeitlichen Knigge gibt es auch. Vielleicht stimmt’s (unfreiwillig) tatsächlich, was da ein Star-Inszenator standardmäßig auf der Bühne brüllt: „Ein Scheißladen ist das hier“.
Klaus B. Harms