1993 - Musikhalle Ludwigsburg

<Dr.hc. Burkhardt Blässling> von Christian Duda

Uraufführung

Produzentin: Klara Höfels

 

Autor: Christian Duda, Regie: C. A. Gad Elkarim; Kostüm: Stefanie Lazarus;

Bühnenbild: Wawa Tokarski; 

Blässling: Klara Höfels

 

Uraufführung am 16. März 1993 Musikhalle Ludwigsburg

als Gastspiel gezeigt in mehreren Städten, zuletzt in Berlin im damaligen Kinosaal der Hackeschen Höfe.

                                Plötzlich wird ihr Kandidat verrückt?

 

  Derbe Posse in den Hackeschen Höfen mitten aus dem wahltäglichen Leben

 

Wahlkampfatmosphäre. Im Flur des Hauses an der Rosenthalerstraße 40/41 in Berlin-Mitte weisen Schilder den Wähler mit Pfeilen plakativ den Weg zum Kandidaten der PIW, Partei Ihrer Wahl. Dr. h.c. Burckhardt Blässling, Mitglied der imaginären Volkspartei (Ähnlichkeiten beabsichtigt) stellt sich seinen Wählern. Denn der Saal ist wie der einer Dorfkneipe: Tische, Bänke, Wähler, Bier. Der Hausmeister des Etablissements weist im blauen Titel den Weg. Ein bisschen staubig alles, gestapelte Stühle in den Ecken, nichts geschönt. Distanziert steht ein Rednerpult. Dann kommt Dr. h.c. Burckhardt Blässling und gibt sich jovial. Ins Gespräch mit dem Volk will er kommen, mit dem Wähler auf Du und Du sein, mal wissen, wo der Schuh drückt. „Man ist eben Mensch, zuallererst und dann Politiker, auch wenn man das nicht so merkt“.

 

Der Mann mit den dicken Hüften, schmalen Schultern, Bauch und geschmackloser Kleidung grenzt, jede Silbe in der Rede betonend und seine Faust in die Luft stoßend, das Thema des Abends ein: „Wer sind wir? Wo sind wir? Wohin gehen wir? Und mit wem?“ Es bleibt Monolog. Weit darf er sich nicht vom Papier entfernen, das er sich schreiben ließ. Jeder Satz eine Losung, geklaute Gedanken: „Und darum zitiere ich an dieser Stelle den Gedanken eines unserer großen deutschen Denker, es ist ein wichtiger und aktueller Gedanke: Wir wollen miteinander und nicht übereinander, äh - was war das jetzt - miteinander und nicht übereinander...? Gott, da sehen Sie`s, man redet und redet und weiß nicht wohin, ja hahaha“. Und was soll’s auch. Man kann besser aus dem Leben plaudern. Schließlich ist man beinahe mal Bundesbauminister geworden.

Uraufführung <Dr.hc. Blässling Musikhalle Ludwigsburg
Uraufführung <Dr.hc. Blässling Musikhalle Ludwigsburg

Dr. h.c. Burckardt Blässling erzählt von Familie, Heim, Heimat. Seine Frau, stets sein braver Ratgeber, ist inzwischen mit Blässlings persönlichem Referenten Sigi aus dem Saal verschwunden. Blässling weiß, wozu, gerät in Panik, demaskiert sich. Sein Hass bricht hervor - auf die Wähler, seine Irmtraut, auf Ausländer, die Kultur, Sigi, die Frauen. Er hasst alle und packt aus. Dafür, dass er sich vorm Wählerpack hinstellen muss, währen 16.000 DM im Monat gerade genug.

 

Bis in den durch Selbstmitleid scheiterten Selbstmord gerät seine Hysterie. Die Situation wird geradezu pervers, als er mit der Pistole an der Schläfe vorn steht und die Wähler warten. Irgendwann schaltet der Hausmeister das Licht aus. „Ist wirklich spät“.

 

Unser Kandidat im Wahlkampfeinakter von Christian Duda - Insznierung C. A. Gad Elkarim - ist die Schauspielerin Klara Höfels. Körperlich zum satten Spießer ausgestopft, füllt sie ihn perfekt mit seinen Plattheiten aus, lebt Großkotzigkeit wie Jämmerlichkeit vor. Ein derber Kraftakt, gerade richtig zur Wahl. Stark überhöht. Oder nicht? Sie wollten doch auch noch einen Kandidaten vor der Wahl hören?

Almut Schröter (Neues Deutschland 29.09.1994)