Autorentheater Berlin
Angesichts der blühenden Autorentheater in anderen europäischen Theatermetropolen ist es erstaunlich und unbegreiflich, dass sich in Berlin bisher kein ausschließlich der Gegenwartsdramatik gewidmetes Haus etablieren konnte. Dabei ist Berlin im deutschsprachigen Raum DAS Zentrum für Projekte und Initiativen aus allen Kunstsparten und verfügt mit seinen Staats- und Freien Theatern sowie auch seinen Tanzkompanien über eine lebendige und anspruchsvolle Theaterszene, die dieses Defizit sogar erkannt hat: In der Vergangenheit erhielten mehrere Initiativen für ein Autorentheater in Fachkreisen sowie bei Presse und Politik tatsächlich großen Zuspruch – und wurden unverständlicherweise dennoch nicht gefördert.
Forum für Gegenwartsdramatik in Berlin
Das Autorentheater Berlin will eine bedeutende Lücke in der Theaterlandschaft schließen. Theaterautor*innen sollten als Impulsgeber des künstlerischen Prozesses systematisch gefördert werden und die Autorin, der Autor neben der Regie gleichberechtigt auch inszenierungsbezogene Akzente setzen können. Wir wollen ein Theater sein, das durch Inhalte geprägt, am Diskurs teilnimmt.
Ein Autorentheater bietet zeitgenössischen Theaterautor*innen jeden Alters, jeden Geschlechts und jeder Nationalität ein Forum, ihre Arbeiten in einem professionellen Rahmen weiter zu entwickeln und sie einem interessierten Publikum und der Presse vorzustellen. Die Autor*innen sind durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Schauspiel, Regie und Dramaturgie unmittelbar und maßgeblich am Entstehungsprozess der Uraufführung oder der Szenischen Lesung ihres Textes beteiligt.
Zeitlich begrenzte Initiativen wie Autorentheatertage und Stückemärkte stellen überwiegend die Präsentation des fertigen Textes in den Mittelpunkt. Meist kommt es erst in den Endproben oder gar anlässlich der Premiere zu einem neuerlichen Kontakt zwischen Autor und Produktionsteam; Einflussnahmen von Seiten der Autor*innen sind dann kaum mehr möglich; ausgeprägte Formen des Regietheaters sehen den Autor des Öfteren gar in der Rolle des Störenfriedes. Das Autorentheater stellt dagegen Autor*in, Text, Regie und Dramaturgie in einen wechselseitig wirkenden Produktionszusammenhang: Die Arbeit eines Theaterautors kommt erst mit der Inszenierung seines Textes zu einem Abschluss.
Publikum
Nicht nur Autoren und Theaterschaffende, auch das Publikum profitiert maßgeblich von der veränderten Schreib- und Produktionskultur eines Autorentheaters. Ein Autorentheater, das die “Theatertauglichkeit” dramatischer Texte in den Fokus rückt, bemüht sich um die bestmögliche Integration des Zuschauers in seine Präsentationen: Einführungen, Nachbereitungen und Diskussionen sowie flankierende Maßnahmen wie Think Tanks sind unverzichtbare Instrumente der Publikumspflege und -Nachwuchsförderung. Durch ihren kommunikativen Charakter bieten sie den Theaterschaffenden umgekehrt die Möglichkeit, sich von den Erfahrungen und der Lebenswirklichkeit der Zuschauer für die eigene Arbeit inspirieren zu lassen. Publikum und Produktionsteam profitieren wechselseitig voneinander.
Ein ganzjähriges Autorentheater betreibt auf lange Sicht Blick- und Geschmacksschulung für Zuschauer aller Generationen; es schafft Identifikationsmöglichkeiten durch Kontinuität, fördert die Kommunikation und öffnet Türen zu neuen Horizonten. Um neue Dramatik bekannt zu machen und sie im Bewusstsein des Publikums zu verankern, braucht man eine Bühne, die die Konkurrenz der Klassiker und Repertoirestücke bewusst vermeidet – und sich ausschließlich Gegenwartsautor*innen widmet.
Auf dieses produktive Zusammenspiel, auf die wechselseitige Erweiterung der Horizonte zielt die neue Produktionskultur des Autorentheaters. “Arbeitsbeziehungen zwischen Autoren und Regisseuren sind die einzige produktive Gegenwehr gegen flüchtige Moden und Marktbewegungen’” (John von Düffel).